Transgeschlechtlich und Trans* - unpassende Stigmatisierung und Aggressoren

Frank Gommert, Vorstand VTSM e.V. , Mann (mit transsexuellem Hintergrund)

Was bedeutet Stigmatisierung?
Wenn eine Person oder eine Gruppe von Personen von anderen durch gesellschaftlich oder gruppenspezifisch negativ bewertete Merkmale charakterisiert werden, werden sie dadurch in sozialer Hinsicht diskriminiert.

Wer stigmatisiert mit den Begriffen „transgeschlechtlich“ und/oder „Trans*“ aber nun eigentlich wen und warum?
Vielleicht sollte man dazu erst einmal die Begriffe hinterfragen, ihre Bedeutung und wie sie Verwendet werden. Transgeschlechtlich und Trans* haben beide den Wortstam „trans-“ welcher, um auf den Ursprung des Begriff's „Transsexualität“ zurück zu gehen, aus der „Cis- /Trans- Isomerie“ abgeleitet entstanden ist. Hierzu wird sich bei Magnus Hirschfeld einiges finden lassen.

Bei der Cis- /Trans- Isomerie geht es darum das Cis- für übereinstimmende Aspekte und Trans- für gegensätzliche Aspekte stehen.
Wobei dieser Begriff aus der Chemie stammt und dort die Anordnungen auf der Referenzebene betreffen.
Aber bleiben wir bei dem wie man diese Vorsilbe „trans“ in Bezug auf Geschlecht sehen kann:
Trans- bedeutet das verschiedenen Aspekte des Geschlechtes nicht übereinstimmen, sondern gegensätzlich sind.

Nun sind Menschen aber grundsätzlich auf eine gewisse Harmonie in ihren Lebensbereichen angewiesen damit sie sich Wohlfühlen können, wobei die „absolute Harmonie“ nur selten erreicht werden kann und wenn sie erreicht wird, zeigt sie sich langfristig als gar nicht so gut.
Aber Grundsätzlich ist es für einen Menschen wichtig, zumindest in weiten Bereichen des Lebens, insbesondere aber im Zusammenhang mit der Selbstwahrnehmung, einen „inneren Einklang mit sich“ zu finden. Daher ist also logisch betrachtet „trans-“, in Bezug auf das eigene Geschlecht/Geschlechtsempfinden/Geschlechtswahrnehmung, ein Ungleichgewicht der verschiedenen Aspekte das man in einen „Einklang“ bringen will. Soweit bis eine „Übereinstimmung“ erreicht ist. Diese Übereinstimmung ist jedoch von der Frage Abhängig was ist für den einzelnen Menschen „Stimmig“ in Bezug auf das eigene Geschlecht?
Oder was ist überhaupt Geschlecht?
Hierzu möchte ich auf folgende Grafik hinweisen:

Wie sich der Grafik entnehmen lässt ist Geschlecht etwas, dass viele verschiedene Aspekte hat, die alle mehr oder weniger ausgeprägt für jeden Menschen auch eine andere Relevanz haben können.
In Bezug auf die Fortpflanzung zum Beispiel sind die Genitalien und Gonaden wichtig → nur wenn diese Funktionsfähig sind kann Mensch sich fortpflanzen.

Im sozialen Miteinander sind andere Aspekte relevanter, da man ja im Allgemeinen einen anderen Menschen zunächst „optisch“ Wahrnimmt, spielt hier der Geschlechtsausdruck in Verbindung mit geschlechtsbezogenen Konventionen eine Rolle, die auch in Bezug zur Sozialisation steht.
Geht es um intimere soziale Kontakte, kommen vielleicht auch die körperlichen Aspekte zum Tragen. So gibt es zum Beispiel in Bezug auf das „Begehren“ durchaus individuelle Vorstellungen oder Bedürfnisse, die durchaus auch mit den Genitalien zusammenhängen, wenn zwei Menschen miteinander Sexualität erleben wollen.

Wobei ich seit langem erlebe, dass gerade das Thema der „Sexualität“ zu einem Tabu gemacht wird, wenn es um die Thematik „trans“ und „Geschlecht“ geht, als gäbe es für Menschen die ihr Geschlecht in irgendeiner Form in Bezug zu „trans“ setzen keine Sexualität, als dürfe es diese nicht geben. Wird sie doch mal erwähnt, geht es darum, dass Begehren von der Körperlichkeit, also den Genitalien, abgetrennt gesehen werden muss. Dies funktioniert aber nicht, weder im Hetero- noch im Homo- sexuellen Orientierungsbereich.

Doch zurück zu dem Begriff „transgeschlechtlich“.
→ Kann ein Mensch der seine körperlichen Aspekte, die Mensch als Falsch erlebt hat und die angeglichen wurden, sich so als „transgeschlechtlich“ sehen?
Ich finde nein, denn diese Angleichung wurde ja vorgenommen um eine Stimmigkeit her zu stellen.
Daher wird dieser Begriff auch gerade von Menschen, die für sich selbst diese Stimmigkeit mittels verschiedener Maßnahmen herstellen konnten, zu etwas, dass sie als „Falsch“ ansehen.

Warum aber wird dieser Begriff als eine „für immer feststehende Tatsache“ verwendet?
Warum wird das Geschlecht der Menschen die eine Angleichung an die Stimmigkeit ihres Geschlechtskörpers vorgenommen haben nicht Respektiert?
Und vor allem WER respektiert dies eigentlich nicht?

Hier kommt nun noch der Begriff „Trans*“ mit ins Spiel, denn dieser wurde als „Oberbegriff“ deklariert, unter dem alle Begriffe die mit trans- und Geschlechtsbezügen zusammenhängen zusammengefasst werden sollen. Aber und da liegt der gravierende Aspekt, es wurde versäumt zu schauen wie denn eigentlich die Bedürfnisse der einzelnen Menschen deren Begriffe hier einfach vereinnahmt wurden aussehen. Dazu kam noch das dem „Oberbegriff“ bzw. allen Menschen die unter diesem Oberbegriff zu einer Gruppe Zusammengefasst wurden (ungefragt) Bedürfnisse zugeschrieben wurden, die den Bedürfnissen einzelner Untergruppen widersprechen.
Daraus resultiert ein Unsichtbarmachen der Bedürfnisse dieser Untergruppe, teilweise sogar ein ganz klares „Verleugnen“ ihrer tatsächlichen Bedürfnisse.

Des weiteren wird durch die heute übliche Verwendung der Begriffe „transgeschlechtlich“ und „Trans*“ gar noch durch den stigmatisierenden Zusatz „Trans*Menschen“ suggeriert, dass dies alles „dauerhafte Zustände sind“ → Niemand kann/darf diese Zustände verlassen, sondern wer einmal darin ist muss dies „für den Rest seines/ihres Lebens bleiben!“
Warum? Was soll diese aggressive Fremdbestimmung? Und vor allem, wie können gerade die Menschen, die selbst „Fremdbestimmung“ durch die Geschlechtszuweisung, anhand der sichtbaren Genitalien bei der Geburt, anprangern, auf der anderen Seite selbst genau das umsetzen, was sie doch Anprangern?

Hier bin ich nun bei dem letzten Begriff der Überschrift, Aggressoren und der aus der Psychoanalyse stammenden These der „Identifikation mit dem Aggressor“.
Menschen die eine körperliche Angleichung ihres Körpers zum Erreichen der Stimmigkeit ihres Geschlechtes umgesetzt haben, wird von vielen „Trans*Vertretern“ gern vorgeworfen, dass sie sich mit dem Aggressor identifizieren, dass sie sich dem Heteronormativen Bild unterwerfen.
Aber was ist denn Tatsächlich der Fall?
Sind es nicht diejenigen, die alle zu „Trans*“ bzw. „Trans*Menschen“ deklarieren und von einer „transgeschlechtlichen Lebensweise“ reden, die Tatsächlich durch verleugnen der „Stimmigkeit“, damit einer Identifikation mit den „heteronormativen Aggressoren“ folgen?

Wer sich grundsätzlich für die Anerkennung des selbstbestimmten Geschlechts einsetzt, kann doch letztlich diese Begriffe gar nicht verwenden, da durch diese die Anerkennung einiger Menschen in ihrem selbstbestimmten Geschlecht verleugnet wird. Zu diesem Schluss kommt man mit simpler Logik, wenn man dabei wirklich mal ALLE Variationen beachtet und auf Wertungen verzichtet.

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